读书笔记4-《Der Vorleser》
Der Vorleser 朗读者 Bernhard Schlink
„Der beklemmende Roman einer grausamen Liebe. Ein Roman von solcher Sogkraft, dass man ihn, einmal begonnen, nicht aus der Hand legen wird“ ——一部有关残酷爱情的令人压抑的小说,一部具有如此吸引力的小说,一旦开始读,便舍不得放下。
这本德语原文200页的小说,语言细腻并且精准。作者很少用长句子,然而句子虽短,却字字珠玑,许多短短的、由简单词汇构成的句子却蕴含着深刻的哲理,值得一读再读。 非常后悔现在才看这本书的德语原版,为什么不早点看呢?为什么当初不早早地买了中文版本来看呢?还有就是电影,一定尽快补上。
书分为三章,第一章写的是Michael 与Hanna相识,被她吸引,陷入对她的迷恋不可自拔。但是由于他自己的不确定、Hanna的距离感等等因素,他一直不敢公开Hanna的存在,第一章节最后Hanna一声不响的离开了。他们的这段甜蜜热恋,其实伴随着各种冲突和矛盾,总是在甜蜜之极的时候发生一场争吵,Berg的每一次浪漫之举总是换不来好的结果,这段感情下一直潜藏着矛盾和危机。第二章的主要内容是法庭审判和Berg的内心挣扎。Hanna是文盲的秘密被Berg参透,为了继续隐瞒这一被自己视作羞耻的真相,Hanna宁可供认并不属实的控诉,被判无期徒刑。Berg则在对Hanna的爱和恨,怜和愤,理解和批判,说出实情和不发一语之间苦苦挣扎,最终选择了不发一语。这一章结尾Hanna走出法庭时,没有看Berg一眼。第三章描写了庭审结束后这一切对Berg在工作、家庭、两性关系的影响,他开始为Hanna录朗读磁带,以此来换取内心的宁静。只是每次只是寄磁带,却从来没有给Hanna写过哪怕一封她盼望之极的信。Hanna用他朗读的磁带配合从监狱图书馆借的书,自己学会了读写。一学会读写,她就开始阅读有关集中营的相关书籍,她应该慢慢了解了自己身上的罪责。在监狱中的很长一段时间,Hanna都一如既往的注重身材和干净卫生,威望也很高,后来几年却像是放弃了自己,任由自己发胖、变老、身上有味。最后在出狱当天的黎明时分自缢身亡,遗书中只是让监狱长代为问候Berg。三个章节,跨度好几十年,三次分别,每一次Hanna都是那样高傲、无声、倔强而彻底地告别。而每次告别前,Berg的表现都给了她深深的打击,不论是游泳馆的短暂挣扎,法庭上的装作不识,还是最后唯一一次探望她时流露出的将她排除在自己生活之外的态度。而Hanna的每次告别,都带着不被人理解的痛苦,而事实上她活着的这一生从来没有被人理解过吧。Berg也只是在她离开或者永别后,才明白她所做一切的意义所在。她心甘情愿入狱,不是为了赎罪,而是想赋予这一行为一定的意义,所以近似饥渴地阅读有关集中营的各种文献,主动去了解去思考,努力生活并且也热爱生活。她一定是深爱着Berg的,保存了二十多年的当时地方报纸刊登的他高中毕业典礼领奖的照片,还有他唯一一次去探望他分别时,她细细打量他的目光都说明了这一点。看小说时,所有的泪水都为她而流。她美丽执拗,得体干净,直率单纯,受环境和教育程度所致不通某些特定场所例如法庭上的世故,文化于她是坚定的信仰。“春天让她蓝色的丝带随风飘扬”——那个复活节假期骑行途中,她在春天的风里扬起的蓝色裙裾一定很美。
书里有许多地方值得一再思索:为了隐藏自己是文盲的事实,或者更深层次的说为了维护文化的尊严,真的有人会用尽一生的力气,哪怕时刻提心吊胆,居无定所,放弃爱人,承担污蔑,被判终身监禁吗?如果Hanna不是文盲,那她是不是就不会报名成为集中营的看守了呢?诸如集中营选人送死和教堂里几百女囚被烧死的事件,作为看守的她,有其他更好的选择吗?如果她不是文盲,她与Berg的故事会有不同的结局吗?如果我是Berg,我会比他勇敢吗?我会在法庭上,说出Hanna根本不会读写的真相,帮助她减轻刑罚吗?我会一封信都不给她写吗?如果我定期给她写信,定期去看望她,讲述我的生活,慢慢让她明白我可能不会在我的生活中给她留有一席之地,但是还是关心她爱护她的,那她还会自杀吗?二战中平凡的参战者是否也都有像Hanna反问审判长那样的困惑,“如果是你,你又会怎么做呢”?冷眼旁观者是否也有罪呢?战后一代对战争一代的批判究竟是带着怎样的心理,他们也像Berg对Hanna那样,一面被吸引一面又抗拒,一面想批判一面又不忍,一面想摆脱一面又逃脱不掉吗?不会读写,没有受过教育的人是否更容易陷入阿伦特提出的“平庸之恶”和“不思考之恶”呢,就像Hanna面对熊熊燃烧的教堂,最在意的竟然是如果开了门,女囚们乱起来她们看守控制不住,因为看守的职责就是看好她们?还是人性本恶,在“极权之恶”下,任何人都会丧失思考和感同身受的能力,而冷漠的随波逐流,就像那个卡车司机说的那样作为纳粹军官时他根本不恨犹太人或者敌人,他只是无所谓,无所谓他人是生是死,他关心的只是今天的工作完成了终于可以下班了?
薄薄的一本书,囊括了爱情、罪责、大屠杀、战争中的一代与战后一代之间的关系、过去与现在的关系、战后德国人对战争的态度、历史观、亲情等等不同的方面,随着文中Michael Berg的心理活动,读者也会不由自主的跟着他一起思考,并不自觉的带入自己的评判。我想,很多看过这本书的人也跟我一样,千思万想之后也只剩下一声无奈轻叹,根本无法说出任何别的可能,任何可能都不可能。就像小说结尾Berg说的那样,这个故事就是这样,完全符合当时的事实,它是悲伤也好幸福也罢,并不重要。
书中有很多句子凝练、优美而富有哲理,先把目前注意到的摘抄过来,以后慢慢再补充吧。
Diogenes Taschenbuch, 1997
1. 2Man schätzt das Alter schwer, das man noch nicht hinter sich hat oder auf sich zukommen sieht. S.17
2. Wenn wir uns öffnen 当我们敞开心扉时,
du dich mir und ich dir mich, 我们合二为一。
wenn wir versinken 当我们沉浸时,
in mich du und ich in dich, 你中有我,我中有你。
wenn wir vergehen 当我们消失时,
du mir in und dir in ich. 你在我心里,我在你心里。
Dann 这之后,
bin ich ich 我是我,
und bist du du. S.57 你是你。
3. Dann ging sie zu einem Regal, fuhr in Brusthöhe mit dem Zeigefinger der rechten Hand langsam die Bücherrücken entlang, ging zum nächsten Regal, fuhr mit dem Finger weiter, Buchrücken um Buchrücken, und schritt das ganze Zimmer ab. S. 60f.
4. Nicht dass ich Hanna vergessen hätte. Aber irgendwann hörte die Erinnerung an sie auf, mich zu begleiten. Sie blieb zurück, wie eine Stadt zurückbleibt, wenn der Zug weiterfährt. Sie ist da, irgendwo hinter einem, und man könnte hinfahren und sich ihrer versichern. S. 83
5. Wir rissen die Fenster auf, ließen die Luft herein, den Wind, der endlich den Staub aufwirbelte, den die Gesellschaft über die Furchtbarkeiten der Vergangenheit hatte sinken lassen. S.87
6. Scham als Grund für ausweichendes, abwehrendes, verbergendes und verstellendes, auch verletzendes Verhalten S.127
7. Er belehrte mich über Person, Freiheit und Würde, über den Menschen als Subjekt und darüber, dass man ihn nicht zum Objekt machen dürfe. „Erinnerst du dich nicht mehr, wie es dich als kleinen Jungen empören konnte, wenn Mama besser wusste als du, was für dich gut war? Schon wieweit man das bei Kindern tun darf, ist ein wirkliches Problem. Es ist ein philosophisches Problem, aber die Philosophie kümmert sich nicht um die Kinder. Sie hat sie der Pädagogik überlassen, wie sie schlecht aufgehoben sind. Die Philosophie hat die Kinder vergessen“ … S.136
8. „Nein, ich rede nicht von Befehl und Gehorsam. Der Henker befolgt keine Befehle. Er tut seine Arbeit, hasst die nicht, die er hinrichtet, rächt nicht an ihnen, bringt sie nicht um, weil sie ihm im Weg stehen oder ihn bedrohen oder angreifen. Sie sind ihm völlig gleichgültig. Sie sind ihm so gleichgültig, dass er sie ebenso gut töten wie nicht töten kann.“ S.146
9. Was immer es mit Kollektivschuld moralisch und juristisch auf sich haben oder nicht auf sich haben mag – für meine Studentengeneration war sie eine erlebte Realität. S.161
10. Die Liebe zu den Eltern ist die einzige Liebe, für die man nicht verantwortlich ist. S.162
11. Und vielleicht ist man sogar für die Liebe zu den Eltern verantwortlich. Damals habe ich die anderen Studenten beneidet, die sich von ihren Eltern und damit von der ganzen Generation der Täter, Zu- und Wegseher, Tolerierer und Akzeptierer absetzten und dadurch wenn nicht ihre Scham, dann doch ihr Leiden an der Scham überwanden. Aber woher kam die auftrumpfende Selbstgerechtigkeit, die mir bei ihnen so oft begegnete? Wie kann man Schuld und Scham empfinden und zugleich selbstgerecht auftrumpfen? War die Absetzung von den Eltern nur Rhetorik, Geräusch, Lärm, die übertönen sollten, dass mit der Liebe zu den Eltern die Verstrickung in deren Schuld unwiderruflich eingetreten war?
Das sind spätere Gedanken. Auch später waren sie kein Trost. Wie sollte es ein Trost sein, dass mein Leiden an meiner Liebe zu Hanna in gewisser Weise das Schicksal meiner Generation, das deutsche Schicksal war, dem ich mich nur schlechter entziehen, das ich nur schlechter überspielen konnte als die anderen. S.162f.
12. Und die Vergangenheit, in der ich als Rechtshistoriker ankam, war nicht weniger lebensvoll als die Gegenwart. Es ist auch nicht so, wie der Außenstehende vielleicht annehmen möchte, dass man die vergangene Lebensfülle nur beobachtet, während man an der gegenwärtigen teilnimmt. Geschichte treiben heißt Brücken zwischen Vergangenheit und Gegenwart schlagen und beide Ufer beobachten und an beiden tätig werden. Eines meiner Forschungsgebiete wurde das Recht im Dritten Reich, und hier ist besonders augenfällig, wie Vergangenheit und Gegenwart in eine Lebenswirklichkeit zusammenschießen. Flucht ist hier nicht die Beschäftigung mit der Vergangenheit, sondern gerade die entschlossene Konzentration auf Gegenwart und Zukunft, die blind ist für das Erbe der Vergangenheit, von dem wir geprägt sind und mit dem wir leben müssen. S.172
13. „Im Hof blühen schon die Forsythien“, „ich mag, dass es in diesem Sommer so viele Gewitter gibt“, „aus dem Fenster sehe ich, wie sich die Vögel zum Flug nach Süden sammeln“ S.179
14. Wie sollten wir uns von Angesicht zu Angesicht begegnen, ohne dass alles hochkam, was zwischen uns geschehen war. S.183
15. „Ich habe immer das Gefühl, dass mich ohnehin keiner versteht, dass keine weiß, wer ich bin und was mich hierzu und dazu gebracht hat. Und weißt du, wenn keiner dich versteht, dann kann auch keiner Rechenschaft von dir fordern. Auch das Gericht konnte nicht Rechenschaft von mir fordern. Aber die Toten können es. Sie verstehen. Dafür müssen sie gar nicht dabei gewesen sein, aber wenn sie es waren, verstehen sie besonders gut. Hier im Gefängnis waren sie viel bei mir. Sie kamen jede Nacht, ob ich sie haben wollte oder nicht. Vor dem Prozess habe ich sie, wenn sie kommen wollten, noch verscheuchen können.“ S.187
16. „Frühling lässt sein Band wieder flattern durch die Lüfte“, „Wolkenschatten fliehen über Felder“ S. 194
17. Als ich lange hinschaute, schien im toten Gesicht das lebende auf, im alten das junge. So muss es alten Ehepaaren gehen, dachte ich; für sie bleibt im alten Mann der junge aufgehoben und für ihn die Schönheit und Anmut der jungen Frau in der alten. S.197 f.
18. Die Jahre der Haft sollten nicht nur auferlegte Sühne sein; Hanna wollte ihnen selbst einen Sinn geben, und sie wollte mit dieser ihrer Sinngebung anerkannt werden.
19. So gibt es neben der Version, die ich geschrieben habe, viele andere. Die Gewähr dafür, dass die geschriebene die richtige ist, liegt darin, dass ich sie geschrieben und die anderen Versionen nicht geschrieben habe. Die geschriebene Version wollte geschrieben werden, die vielen anderen wollten es nicht. S. 205f.
20. Was für eine traurige Geschichte, dachte ich lange. Nicht dass ich jetzt dächte, sie sei glücklich. Aber ich denke, dass sie stimmt und dass daneben die Frage, ob sie traurig oder glücklich ist, keinerlei Bedeutung hat.
https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Vorleser 德国维基百科上内容:
Der Vorleser ist ein Roman des deutschen Schriftstellers Bernhard Schlink aus dem Jahr 1995.
Im Vordergrund des dreiteiligen Romans steht anfangs die ungleiche erotische Beziehung des Ich-Erzählers Michael Berg zu der 21 Jahre älteren Hanna Schmitz. Im weiteren Verlauf konzentriert sich die Darstellung des Erzählers, der offensichtlich in seinem Rückblick die Sichtweise des Juristen und Autors Schlink teilt, zunehmend auf ethische Fragen und den Umgang mit den Tätern des Holocaust in der Bundesrepublik der 1960er Jahre.
Das Buch wurde in 40 Sprachen übersetzt.[1][2] In den USA erschien es 1997 unter dem Titel The Reader und wurde zu einem Bestseller.
Handlung
Die Handlung des Romans Der Vorleser ist in drei Teile gegliedert und schildert in überwiegend chronologischen Rückblenden aus der Erzählgegenwart der 1990er Jahre die Erlebnisse des Ich-Erzählers (Michael Berg).
Erster Teil
Der erste Teil beginnt mit der Erkrankung des fünfzehnjährigen Schülers Michael Berg an Gelbsucht. Als er sich in einem Hauseingang übergeben muss, kommt ihm eine Frau zu Hilfe, die später als die 36 Jahre alte Straßenbahnschaffnerin Hanna Schmitz vorgestellt wird.
Nach seiner Genesung sucht Michael Hanna zu Hause auf, um sich bei ihr zu bedanken. Als sie sich vor ihm umzieht und seine sexuelle Erregung bemerkt, läuft er davon. Bei einem weiteren Besuch kommt es zum Liebesakt und damit zum Beginn der ungleichen Beziehung, mit der sich der erste Teil des Romans befasst.
Michael beschließt, wieder zur Schule zu gehen. Um Zeit mit Hanna zu verbringen, schwänzt er einzelne Stunden. Als sie davon erfährt, stellt sie als Bedingung für weitere Treffen, dass er sich für die Schule engagiert. Das Baden und der anschließende Liebesakt werden ebenso zum Ritual wie Michaels Vorlesen, zunächst aus den im Unterricht behandelten und später auch aus eigens dafür ausgesuchten Büchern. Es kommt zu Konflikten zwischen den beiden, die für Michael oft unerklärlich sind, für die er aber die Schuld auf sich nimmt, um der strafenden Zurückweisung Hannas zu entgehen.
Mit dem Beginn des neuen Schuljahrs lernt Michael die gleichaltrige Sophie kennen, die er mit Hanna vergleicht. Er verbringt mehr Zeit mit seinen Mitschülern, so dass sein Leben nicht mehr ausschließlich um Hanna kreist. Je intensiver die Beziehung zu Sophie und seinen Klassenkameraden wird, desto mehr hat Michael das Gefühl, Hanna zu verraten. Als diese überraschend im Schwimmbad erscheint und ihn mit einer Gruppe Gleichaltriger beobachtet, reagiert Michael zu spät, und Hanna verschwindet. Als er sie am nächsten Tag in ihrer Wohnung und auf ihrer Arbeitsstelle sucht, erfährt er, dass Hanna nach Hamburg gegangen ist, kurz nachdem sie ein Angebot zur Beförderung erhalten hat.
Aus dem im zweiten Teil genannten Geburtsdatum von Hanna Schmitz (21. Oktober 1922) lässt sich schließen, dass der erste Teil in den Jahren 1958/59 spielt und dass Michael Berg im Juli 1943 geboren wurde.
Zweiter Teil
Sieben Jahre später. Michael studiert Jura an der Universität und besucht mit Kommilitonen einen Kriegsverbrecherprozess gegen Wärterinnen eines Außenlagers in Auschwitz. Ihnen wird vorgeworfen, bei einem Todesmarsch gegen Ende des Zweiten Weltkriegs Gefangene in eine Kirche gesperrt und sie nach einem Bombenangriff dort verbrennen lassen zu haben. Zu Michaels Überraschung ist unter den Angeklagten auch Hanna Schmitz. Er verfolgt den Prozess nun mit wachsender Anteilnahme und versäumt keinen Verhandlungstag. Hanna wird neben dem Flammentod der Frauen in der Kirche auch angelastet, an Selektionen von Zwangsarbeiterinnen des Außenlagers beteiligt gewesen zu sein; jeweils die Schwächsten seien in die Gaskammern von Auschwitz und damit in den sicheren Tod geschickt worden.
Im Prozess sagt auch eine Jüdin aus, die zusammen mit ihrer Mutter als einzige den Kirchenbrand überlebt hat. Sie erinnert sich, dass Hanna KZ-Häftlinge begünstigt habe, die ihr vorgelesen hätten. Mit Sorge beobachtet Michael, wie sowohl Hanna selbst als auch ihr Verteidiger sie zunehmend als Hauptschuldige erscheinen lassen. Sie ist auch die einzige, die die Taten nicht abstreitet. Die Mitangeklagten hingegen beschuldigen Hanna als Rädelsführerin, die einen gefälschten Bericht über den Kirchenbrand verfasst habe, der andere belaste. Als der Richter einen Schriftvergleich anordnen will, gibt Hanna vor, den Bericht geschrieben zu haben. Erst jetzt kommt Michael, angesichts seiner früheren Erlebnisse mit Hanna, zu dem Schluss, dass sie weder lesen noch schreiben kann. Dies bringt ihn in einen inneren Konflikt: Er weiß, dass Hanna das Gestandene nicht getan haben kann, ist sich aber nicht sicher, ob und wie er in den Prozess eingreifen soll. Schließlich fragt er seinen Vater, einen Philosophieprofessor, um Rat. Dieser warnt Michael davor, die Würde der Angeklagten zu verletzen, sollte er hinter ihrem Rücken den Richter über ihren Analphabetismus informieren, und rät ihm, lieber mit ihr selbst zu sprechen. Michael scheut sich aber vor einer Begegnung mit Hanna. Stattdessen besichtigt er das KZ Natzweiler-Struthof. Beim Trampen wird er von einem ehemaligen Wehrmachtsoffizier mitgenommen, der meint, die Täter des Holocaust hätten nur ihre Arbeit getan und seien ohne böse Absicht schlicht gleichgültig gegenüber dem Schicksal ihrer Opfer gewesen. Als Michael ihn fragt, ob er selbst an solchen Morden beteiligt gewesen sei, verweist er ihn des Wagens.
Schließlich entscheidet sich Michael gegen ein Eingreifen, und am Ende des Prozesses wird Hanna als Hauptschuldige zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, ihre Mitangeklagten dagegen erhalten kürzere Haftstrafen. Trotz der Distanz zwischen Michael und Hanna ist offenbar geworden, dass seine Jugenderlebnisse mit ihr noch stark nachwirken. Als besonders belastend empfindet er erotische Fantasien, in denen an die Stelle der Geliebten aus seiner Erinnerung die KZ-Wärterin tritt.
Dritter Teil
Nach dem Studium beginnt Michael Berg sein Referendariat und heiratet seine Kommilitonin Gertrud, mit der er eine Tochter hat. Später wird er Rechtshistoriker, da er sich mit Blick auf den KZ-Prozess weder die Rolle eines Verteidigers, noch die eines Staatsanwalts oder Richters vorstellen kann einzunehmen. Seine Ehe scheitert und auch weitere Beziehungen zu Frauen erweisen sich als unerfüllt, da Michael sie mit Hanna vergleicht. Nachdem diese sieben Jahre in Haft verbracht hat, sucht er den Kontakt zu ihr. Er nimmt das Ritual des Vorlesens wieder auf und schickt ihr von ihm selbst besprochene Kassetten ins Gefängnis. Mit deren Hilfe bringt sich Hanna im Gefängnis Lesen und Schreiben bei. Sie schickt ihm Briefe, die er jedoch unbeantwortet lässt.
Als Hannas Entlassung nach 18 Jahren näher rückt, schreibt die Gefängnisleiterin Michael einen Brief, in dem sie ihn bittet, bei Hannas gesellschaftlicher Eingliederung zu helfen. Trotz seiner Skrupel trifft er die nötigen Vorbereitungen und besucht sie eine Woche vor dem Entlassungstermin im Gefängnis. Dort hat er das Gefühl, einer „alten Frau“ zu begegnen. Hanna spürt seine Distanz, aber beide erzählen einander von ihren so unterschiedlichen Leben. Am Vorabend der Entlassung telefonieren sie ein letztes Mal, und Michael ist überrascht, wie jung sich Hanna anhört, als sie sich wegen seiner Planerei über ihn lustig macht. Als er sie im Gefängnis abholen will, ist Hanna tot; sie hat sich in ihrer Zelle erhängt. Die Gefängnisleiterin führt Michael in ihre Zelle, wo er von Holocaustüberlebenden geschriebene Bücher und ein Zeitungsfoto von sich als Abiturient sieht. Michael erfährt, dass Hanna lange Zeit auf ihre Erscheinung geachtet habe und unter Mitgefangenen eine Autoritätsperson gewesen sei. In den letzten Jahren habe sie sich jedoch zunehmend zurückgezogen und vernachlässigt. Die Leiterin erzählt Michael, wie wichtig seine Kassetten für sie gewesen seien, fragt aber, warum er ihr denn nie geschrieben habe. Sie übergibt ihm schließlich Hannas Erspartes und liest ihm ihr Testament vor.
Hannas letztem Willen folgend, will Michael der Zeugin aus dem Prozess das Geld übergeben. Diese weigert sich jedoch, es selbst anzunehmen, einigt sich aber mit Michael darauf, es in Hannas Namen zur Bekämpfung des Analphabetismus einer jüdischen Organisation zu stiften.
Figuren
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Hauptfiguren
Die Handlung des Buches ist deutlich auf die Beziehung zwischen den beiden Protagonisten Michael Berg und Hanna Schmitz zugeschnitten. Sowohl die Haltung beider Personen zueinander als auch ihre Charaktere werden dabei als ambivalent und unentschieden gekennzeichnet. Alle Aussagen über Hanna und die restlichen Charaktere beruhen entweder auf Erlebnissen, Empfindungen und Reflexionen des Erzählers, oder fremden Quellen (z. B. die Erzählungen der Gefängnisdirektorin im dritten Teil) werden von dem Erzähler referiert und dabei zugleich gefiltert. Die Subjektivität der Darstellung erschwert die Antwort auf Fragen wie die, was für ein Mensch Hanna Schmitz „wirklich“, d. h. unabhängig von den Wahrnehmungen, Phantasien und Reflexionen Michaels, ist.
Michael Berg
Der 15-jährige Michael Berg wird als dahinträumender, durchschnittlicher Jugendlicher beschrieben, der keine besonderen Ziele verfolgt. Der Widerspruch zwischen anerzogenen moralischen Werten und erwachendem sexuellem Verlangen beherrscht ihn zunächst, so dass er zum Beispiel versucht, seine Sexualität zu rationalisieren. Gegenüber seinen Altersgenossen versucht Michael, Souveränität und Überlegenheit auszustrahlen, die jedoch nur seine Gefühlsunsicherheit kaschieren sollen. Die Beziehung zu Hanna Schmitz bedeutet für ihn einen deutlichen Einschnitt und trennt ihn emotional von seinen bisherigen Lebenswelten. In dieser Beziehung neigt er zu Unterordnung und Anpassung. Er wird von Hanna auf Distanz gehalten, und sie verweigert ihm eine weitere, von ihm gewünschte Vertiefung. Dadurch verstärkt sich seine Hörigkeit und Unsicherheit gegenüber Hannas Dominanz. Die Schwierigkeit der Beziehung zu Hanna führt gegen Ende zu einer schleichenden Abwendung von ihr; das bald darauf folgende Verschwinden Hannas verursacht in ihm große Schuldgefühle, weil er zu diesem Zeitpunkt glaubt, er habe sie verraten. Warum Michael es für falsch hält, als Jugendlicher mit niemandem über Hanna gesprochen zu haben, wird nicht recht klar. Fragen der Sexualmoral werden in dem Roman ebenso wenig explizit angesprochen wie Fragen des Sexualstrafrechts oder des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung Minderjähriger.[3][4] Diesen Bereich der moralischen und juristischen Reflexion blendet der erwachsene Erzähler aus, obwohl er im zweiten und dritten Teil des Buches ausgiebig moralische und juristische Reflexionen liefert. Der Leser wird vom Erzähler nicht explizit auf den Verdacht gebracht, Michael sei ein Opfer sexuellen Missbrauchs im Sinne des § 182, Absatz 3 Strafgesetzbuch (StGB) („Sexueller Mißbrauch von Jugendlichen“).
Das Gefühl der eigenen Schuld und die nicht bewältigte Abhängigkeit von Hanna setzen sich fort und führen bei Michael in der Folgezeit zu einer Bindungsunfähigkeit und einer Abweisung anderer Menschen.
Michael begegnet Hanna erneut, als er als Student in einem Kriegsverbrecherprozess Hanna als Angeklagte – nämlich als ehemalige KZ-Aufseherin – wiedererkennt. Die erneute Begegnung mit Hanna geschieht für den Studenten Michael Berg enorm plötzlich und überwindet die von Michael über die Zwischenzeit aufgebauten Verdrängungsmechanismen und Abwehrtaktiken. Das verweist ihn auf seine innere Leere und Ohnmacht zurück. In ihm entstehen neue Schuldgefühle, indem er erkennt, dass er eine Verbrecherin geliebt hat, und es verstärkt sich das Gefühl in ihm, von Hanna entfremdet zu sein. Außerdem ist es ihm unmöglich, mit ihr im Gerichtssaal zu kommunizieren. Michael weiß um entlastende Hinweise über Hannas Schuld. Dieses moralische Dilemma lähmt ihn, sein Versuch scheitert, diese Hinweise dem Richter vorzutragen.
Die folgenden Jahre des erwachsenen Michael werden weiter bestimmt durch die Distanz zu seinen Mitmenschen und die Vermeidung möglicher Verletzungen durch Gefühllosigkeit und Abstand. Auch wenn diese Phänomene mit der Zeit abnehmen, scheitert Michaels fünfjährige Ehe mit der ehemaligen Studienkollegin Gertrud. Immer wieder stellt Michael fest, dass die Frauen, mit denen er als Erwachsener intime Beziehungen hatte, „falsche“ Sinneseindrücke bei ihm hervorgerufen haben, insbesondere hätten sie „falsch gerochen“ und sich „falsch angefühlt“; die Eindrücke, die die 36-jährige Hanna bei ihm hinterließ, galten für ihn als Standard und Norm.
Als Michael den „Kassettenkontakt“ mit Hanna im Gefängnis aufnimmt, beginnt ein langsamer, selbsttherapeutischer Prozess für ihn. Er hält jedoch weiterhin Distanz zu Hanna, ihrer bevorstehenden Entlassung sieht er widerwillig entgegen. Zwar fühlt er sich für Hanna verantwortlich, der er in seinem weiteren Leben eine „Nische“ zuweisen will, doch kann er sich eine gemeinsame Zukunft nicht vorstellen, da er auch die Sinneseindrücke, die von der inzwischen 61-jährigen, „zu alten“ Frau ausgehen (Aussehen, Geruch, Gefühl beim Anfassen), als „falsch“ bewertet.
Der ältere (autobiographisch erzählende) Michael Berg zeigt schließlich ein hohes Maß an Schuldbewusstsein und Reflexion. Das Schreiben bezeichnet er an verschiedenen Stellen als Konfliktbewältigung. Michael hat zu einer gewissen moralischen Läuterung gefunden, die in der unbeschönigten Beschreibung seiner Lebensgeschichte ihren Höhepunkt findet. Bedeutend für diese Entwicklung scheint der Besuch bei der in New York lebenden Jüdin zu sein, mit der er offen über die Beziehung zu Hanna spricht. Er widerspricht ihr nicht, als diese seine Beziehung zu Hanna auf den Punkt bringt, indem sie sagt: „Was ist diese Frau brutal gewesen. Haben Sie’s verkraftet, daß sie Sie mit fünfzehn…“. Die Frau errät Michaels private Biographie anschließend richtig: „Und die Ehe war kurz und unglücklich, und Sie haben nicht wieder geheiratet, und das Kind, wenn’s eines gibt, ist im Internat.“
Hanna Schmitz
Der Leser erhält nur aus der Sicht Michaels Informationen über Hanna, was ihre Charakterisierung stark erschwert. Bereits im ersten Teil gibt der spätere Erzähler zu: „[…] über ihre [Hannas] Liebe zu mir weiß ich nichts.“ Michael macht sich weder als Fünfzehnjähriger noch als Erzähler Gedanken darüber, warum Hanna ihn ausgewählt hat. Auch interessiert es ihn offenbar nicht, ob Hanna zu den Vorleserinnen im KZ eine lesbische Beziehung hatte. Erst beim Anblick seines Abiturfotos kommt Michael die Idee, dass er nach ihrem Weggang aus seiner Heimatstadt in Hannas Gedanken eine Rolle gespielt haben könnte, genauso wie sie in seinen Gedanken. Michael interpretiert Hannas Biographie als fortwährenden Versuch, ihren Analphabetismus zu verheimlichen. Mit einer einhergehenden unterschwelligen Bewunderung deutet er den Gerichtsprozess als „Kampf“ Hannas um „ihre Gerechtigkeit“. Hanna hat Angst vor der Aufdeckung ihrer Schwäche, des Analphabetismus. Ihre Reaktionen schwanken hier zwischen Anpassung, Flucht und Aggression. Auch lässt sich eine gesteigerte Brutalität in ihrem Verhalten nachweisen. Als der Anstaltsleitung ihr Analphabetismus offenbar wird, beginnt auch Hannas Ordnungsliebe nachzulassen. Dem Leser erscheint Hanna Schmitz als ein widersprüchlicher Charakter. Zu den Werten ihrer Sozialisation gehören ein gesteigertes Pflichtgefühl und eine starke Arbeitsmoral, hierarchische Unterordnung und ein Sinn für Ordnung. Allerdings fällt auf, dass ihr in den letzten Gefängnisjahren die Selbstdisziplin verloren geht: Hanna wird dick und fängt mangels Körperpflege an, unangenehm zu riechen, was nicht nur Michael auffällt. Allerdings hat Hanna nach Aussagen der Gefängnisdirektorin diesen Wandel positiv bewertet, da für sie in ihren letzten Jahren „Aussehen, Kleidung und Geruch keine Bedeutung mehr“ gehabt haben sollen. Hanna besitzt zwar eine durchschnittliche Intelligenz, doch weist sie neben dem Analphabetismus auch andere soziokulturelle Defizite auf: Die Öffentlichkeit, die Kultur, die gesellschaftliche Kommunikation und der Gerichtssaal sind für sie fremde Räume, sie besitzt keine Muster, sie zu deuten. Das zeigt sich auch daran, dass sie nicht vermag, Sekundärtugenden wie das Pflichtbewusstsein (die Pflicht von Wächtern sei es, das Entweichen von Gefangenen zu verhindern) als solche zu erkennen. Nach Lektüre der einschlägigen Literatur über das Thema „Analphabetismus“ kommt der Ich-Erzähler zum Schluss, dass bei Hanna ein Fall partieller, möglicherweise selbst verschuldeter Unmündigkeit vorliege, deren Ausdruck oder Ursache ihr Analphabetismus sei. Trotzdem ist es Hanna, der Analphabetin, gelungen, sich das Foto des Abiturienten Michael zu besorgen, was durchaus für eine gewisse Lebenstüchtigkeit spricht, zumal sie bereits im ersten Teil in der Lage ist, Unterschriften zu leisten. Eine wirkliche Änderung des Charakters Hannas scheint sich erst in der Zeit der Haft zu vollziehen. Vorher scheint ihre Charakterstruktur nahezu starr, auch wenn sie sich in unterschiedlichen Milieus unterschiedlich verhält. Während ihrer Haftzeit setzt sich Hanna mit den historischen Fakten und moralischen Problemen des Nationalsozialismus auseinander. Das zeigt eine deutliche Änderung ihrer Denkweise an. Die Tatsache, dass sie während ihrer Haftzeit einen Sitzstreik zur Verbesserung der Lage der Gefängnisbibliothek ausführt, zeigt, dass sie zumindest am Schluss ihres Lebens nicht mehr „unmündig“ ist. Die Gründe für die Selbsttötung sind vielfältig und stellen eine der Kernfragen der Interpretation dar. Grundsätzlich hat sich Hannas Schuldbewusstsein erstmals entwickelt, was ihr eine Einordnung ihrer Taten erlaubt. Zudem hat sich ihre ursprüngliche Betonung äußerer Stärke nun in Ohnmacht und Abhängigkeit von Michael gewandelt. Und nicht zuletzt stellen sich ihr Aufgaben, die überwältigend scheinen: die Integration in die Außenwelt, in der sie keinen Platz besitzt, weder hinsichtlich ihrer beruflichen Stellung noch ihrer moralischen Beurteilung noch ihrer materiellen Zukunft. Zudem hat in den letzten Jahren der Haft ein Verfallsprozess eingesetzt. Zum Zeitpunkt ihres Todes ist die 61-jährige Hanna zu einer „alten Frau“ geworden, die für Michael nicht mehr attraktiv ist, was sie zu spüren scheint.
Nebenfiguren
Familie Berg
Die Familie Michaels wird nur am Rand beschrieben, liefert aber wichtige Hinweise auf die Sozialisation Michaels. Es handelt sich um eine sechsköpfige Familie (Michael hat drei Geschwister) des gehobenen Bürgertums, die für die 1950er Jahre eine klassische Rollenverteilung aufweist. Allerdings wirkt angesichts des gutbürgerlichen Milieus die Selbstverständlichkeit irritierend, mit der Michael und seine kleine Schwester mehrere Ladendiebstähle planen.
Der Vater taucht in zwei wesentlicheren Szenen auf. Er ist von Beruf Philosophieprofessor, spezialisiert auf Kant und Hegel. Innerhalb der Familie spielt er die Rolle eines gemäßigten Patriarchen. Er hält seine Kinder stark auf emotionaler und körperlicher Distanz und plant sie genau wie seine Studenten in den täglichen Terminen ein. Sein Verhalten wird als unbewusstes Vorbild für Michaels Entwicklung gedeutet.
Die Mutter ist eine durchaus positiv dargestellte Figur, zu der Michael aber anscheinend nicht genügend Bezug aufbauen kann. Sie vermittelt ihm das Gefühl von Nähe, jedoch kann Michael mit diesem Gefühl nicht restlos befriedigt werden. Nach der ersten Nacht mit Hanna erinnert sich Michael an eine Szene aus seiner frühen Kindheit: Vor dem wärmenden Herd hatte ihn die Mutter gewaschen und angekleidet. Diese Szene mütterlicher Verwöhnung wird zum Muster für die Badeszenen mit Hanna, die eine prägende Rolle für ihre Beziehung spielen. Gleichzeitig sind aber auch Schuldgefühle damit verbunden: „…, ich mich fragte, warum meine Mutter mich so verwöhnt hat. War ich krank?“
Die Geschwister spielen nur eine untergeordnete Rolle. Zu ihnen befindet sich Michael in einem Verhältnis gegenseitiger Rivalität und Distanz.
Gertrud
Michaels (Ex-)Frau Gertrud war anfangs seine Kommilitonin. Sie taucht im Buch zum ersten Mal bei einer Szene auf einer Skihütte auf. Sie wird als „gescheit, tüchtig und loyal“ beschrieben. Michael heiratet sie, als sie ein Kind von ihm erwartet. Er vergleicht seine Ehe zu Gertrud mit seiner Liebesbeziehung zu Hanna, findet aber keine Gemeinsamkeiten. Der Versuch während der Ehe mit Gertrud, sich innerlich von Hanna zu befreien, scheitert. Fünf Jahre nachdem ihre gemeinsame Tochter Julia geboren wurde, lassen sich Michael und Gertrud scheiden.
Julia
Als Kind von Michael und Gertrud leidet sie unter der Scheidung ihrer Eltern und lebt nach deren Trennung in einem Internat.
Helen, Gesina und Hilke
Helen, Gesina und Hilke sind nach Michaels Scheidung von Gertrud seine folgenden Partnerinnen. Ihnen erzählt er von seiner Beziehung zu Hanna, sagt aber, sie seien an der Geschichte nicht besonders interessiert gewesen. Sie sind im Roman außerdem Beispiel für das generelle Desinteresse an der Vergangenheit sowie auch für Michaels Bindungsstörung.
Freunde und Sophie
Unter Michaels Freunden und Mitschülern nimmt Sophie als Kontrastfigur zu Hanna eine hervorgehobene Stellung ein. Michael schläft mit ihr in der Studienzeit, ohne an einer Beziehung mit ihr wirklich interessiert zu sein. Sie wird attraktiv beschrieben, als „braunhaarig, braunäugig, sommerlich gebräunt, mit goldenen Härchen auf den nackten Armen“.
Außerdem werden als Michaels Freunde Matthias sowie Rudolf Bargen („ein schwergewichtiger, ruhiger, verlässlicher Schach- und Hockeyspieler“), zu dem Michael in der alten Klasse kaum Kontakt hatte, der ihm später aber ein guter Freund ist, genannt. Des Weiteren wird Holger Schlüter erwähnt, der sich wie Michael für Geschichte und Literatur interessiert.
Kommilitonen
Unter den Kommilitonen der Rechtswissenschaft-Studenten entwickelt sich anfangs eine starke Gruppenidentität, was sich durch Michaels Distanz wenigstens zwischen ihm und den anderen Studenten ändert. Die anderen sehen sich als „Avantgarde der Aufklärung“, die die Generation ihrer Eltern generell verurteilt, und stehen hier stellvertretend für die summarischen und wenig differenzierten Urteile der 1968er-Generation.
Einen namentlich nicht genannt bleibenden Teilnehmer des „KZ-Seminars“ trifft Michael auf der Beerdigung seines Professors wieder. Der ehemalige Kommilitone Michaels war zunächst Rechtsanwalt, ist inzwischen aber Gastwirt einer Kneipe. Er will nach der langen Zeit von Michael wissen, warum er während des Prozesses so offensichtlich an Hanna interessiert gewesen sei. Michael weicht seiner Frage aus, indem er zur Straßenbahn rennt und den Kommilitonen stehen lässt.
Professor
Der Professor, der das „KZ-Seminar“ leitet, wird als einer der wenigen beschrieben, die damals über die vergangene Zeit des Nationalsozialismus und die Schauprozesse arbeiteten. Michaels Beschreibung – „ein alter Herr, aus der Emigration zurückgekehrt, aber in der deutschen Rechtswissenschaft immer ein Außenseiter geblieben“ – stellt die Einstellung des Professors zum Nationalsozialismus dar, aber auch das Desinteresse seiner beruflichen Kollegen und der ganzen Gesellschaft an seinem Tun. Er hat sich am Ende den „Zwängen der Gesellschaft“ entzogen und infolgedessen den Kontakt mit ihr verloren.
Richter
Für den Richter in Hannas Prozess ist die Bewältigung der Vergangenheit ausschließlich professioneller Art. Das wird deutlich, als Hanna ihn fragt, wie er denn in der damaligen Situation gehandelt hätte: „Die Antwort des Richters wirkte hilflos, kläglich.“ Der Richter steht in der Erzählung einerseits für die offizielle moralische Grundlinie der Gesellschaft nach der Zeit des Nationalsozialismus, andererseits bleibt seine Rolle während der Zeit des Nationalsozialismus weitgehend verborgen – man erfährt lediglich, dass er reinen Gewissens scheint.
Angeklagte
Die anderen Angeklagten in Hannas Prozess grenzen sich aus Michaels Sicht allesamt von Hanna ab. Sie nutzen Hannas Verhalten für sich, indem sie ihr alle Verantwortung zuschieben. Sie zeigen die typischen Verhaltensmuster von realen Angeklagten in Gerichtsprozessen zu dieser Sache.
Anwälte
Hannas Strafverteidiger ist Pflichtverteidiger und der einzige jüngere Mann in der Gruppe der Rechtsanwälte. Die anderen Verteidiger in Hannas Prozess sind fast ausschließlich Altnazis. Ihr Strafverteidiger vermeidet deren Sprachstil und Thesen, ist aber „von einem hastigen Eifer, der seiner Mandantin ebenso schadete wie die nationalsozialistischen Tiraden seiner Kollegen deren Mandantinnen“.
Zeugen
Die Mutter, die den Todesmarsch (der im Gerichtsprozess verhandelt wird) überlebt hat, wird nicht in weiterem Maße beschrieben. Sie kommt nicht als Zeugin zum Prozess nach Deutschland, sondern bleibt in Israel, wo sie vom Gericht befragt wird.
Ihre Tochter wohnt dagegen in den Vereinigten Staaten. „Alles an ihr wirkte sachlich, Haltung, Gestik, Kleidung. Das Gesicht war eigentümlich alterslos“: Genauso wie sie als Mensch sind auch ihre Erinnerungen an das Konzentrationslager und den Todesmarsch, die sie in einem Buch festhielt, Michaels Verständnis nach von Nüchternheit gekennzeichnet und nicht zur Identifikation einladend. Als Michael Hannas letzten Willen ausführt, kann und möchte die Tochter Hanna keine Absolution geben. Gegenüber Michael zeigt sie sich mitfühlend, indem sie Hannas Verhalten ihm gegenüber verurteilt.
Autofahrer
Der Autofahrer, der Michael als Tramper auf dem Weg in das KZ Natzweiler-Struthof fährt, bezeichnet Gleichgültigkeit als einziges Mordmotiv für die Täter in den Konzentrationslagern und anderswo. Alle anderen Gründe (so auch der bekannte Befehlsnotstand) gelten ihm nichts. Sein Gespräch mit Michael ist jedoch nur von kurzer Dauer: Der Fahrer will sich nicht wirklich mit seiner eigenen Rolle während der Zeit des Nationalsozialismus auseinandersetzen. Später verweist er Michael des Wagens, als dieser ihn mit dieser Vergangenheit konfrontieren will. Michael vermutet, dass der Autofahrer an Erschießungen von Juden beteiligt war.
Gefängnisleiterin
Die Gefängnisleiterin ist „eine kleine, dünne Frau mit dunkelblonden Haaren und Brille. Sie wirkte unscheinbar, bis sie zu reden begann, mit Kraft und Wärme und strengem Blick und energischen Bewegungen der Hände und Arme.“ Sie hat in der Haftanstalt einen guten Ruf, und die von ihr geführte Einrichtung gilt als Mustereinrichtung. Ihr Anliegen, dass Michael sich nach Hannas Entlassung aus der Haft ein wenig um diese kümmert, hebt hervor, dass ihr Hannas Resozialisierung wichtig ist.
Schauplätze
Obwohl der Roman den Namen der Heimatstadt des Protagonisten nicht nennt, werden topographische Details (Heiligenberg, Philosophenweg, Neuenheimer Feld usw.) erwähnt, die auch dem wenig ortskundigen Leser die Stadt Heidelberg und die Metropolregion Rhein-Neckar als Schauplatz des ersten Romanteils nahelegen. Die Beschreibungen am Anfang des Romans lassen ebenfalls eindeutig auf Heidelberg schließen. Die dort beschriebenen Straßen und Häuser existieren genauso im Stadtteil Heidelberg-Weststadt, in dem der Autor Bernhard Schlink tatsächlich aufwuchs. Auch ergibt die Beschreibung der Wegstrecke der Radtour nach Miltenberg in den Osterferien nur dann einen Sinn, wenn man annimmt, dass Heidelberg der Startort ist. Von subtiler Ironie zeugt in diesem Zusammenhang die Wahl Amorbachs als Schauplatz einer Szene, in der Hanna brutal auf Michael mit einem Ledergürtel einschlägt. Lokalkolorit ist auch für andere Werke Schlinks charakteristisch. Die Gerichtsverhandlung im zweiten Teil findet „in einer anderen Stadt, mit dem Auto eine knappe Stunde entfernt“ statt. Der Roman scheint hier auf die Frankfurter Auschwitzprozesse anzuspielen.
Stil und Erzählhaltung
Wortwahl und Satzbau
Bernhard Schlinks Stil in Der Vorleser ist in den erzählenden Passagen überwiegend schlicht und präzise. Allerdings vermeidet es der Erzähler zumeist, Jahreszahlen zu nennen (einzige Ausnahme: Hannas Geburtsdatum). Nur gelegentlich nennt er explizit Ortsnamen. Einen Vornamen erhalten zumeist Frauen, mit denen Michael intim war (auch wenn es sich nur um flüchtige Kontakte handelte). Eine Ausnahme bildet hier die Tochter Julia. Andere Frauen (z. B. die Gefängnisdirektorin und die Jüdin in New York) und Männer werden ausschließlich mit ihren sozialen Rollen bezeichnet.
Es herrschen parataktische oder syntaktisch einfache Sätze vor. Ein Stilmittel sind Kapiteleröffnungen, die in einem lapidaren Satz wichtige oder überraschende Informationen vermitteln, der Handlung eine Wende geben. In reflektierenden Passagen wird die Sprache poetisch. Vor allem das Spiel mit Gegensätzen („Ich habe nichts offenbart, was ich hätte verschweigen müssen. Ich habe verschwiegen, was ich hätte offenbaren müssen…“; Kap. 15) und Versuche, komplexe Erinnerungen in einprägsame Bilder zu fassen, sind bestimmend („… Bilder von Hanna, die mir geblieben sind. Ich habe sie gespeichert, kann sie auf eine innere Leinwand projizieren und auf ihr betrachten, unverändert, unverbraucht.“ Kap. 12).
Das Sprachniveau ist durchgehend hochsprachlich. Zugleich benutzt Schlink viele durchgehende Bilder und Motive, etwa bei der Beschreibung des Baderituals.
Erzählhaltung
Die Beschreibung ist geprägt durch die teilweise schon reflektierte Schreibhaltung des Ich-Erzählers, die emotionale Nähe ist dennoch an den meisten Stellen spürbar. Oft wirkt das, was der inzwischen 52 Jahre alte Erzähler schreibt, auf den Leser irritierend:
- Am Schluss bekundet er selbstzufrieden, seine Geschichte sei „rund, geschlossen und gerichtet“. Trotzdem lässt er beispielsweise bei der Beschreibung des zweiten Besuchs des 15-jährigen Michael bei Hanna den Leser in dieselbe Falle laufen, in die bereits der Junge geraten ist: Hanna „würde sich normal verhalten, ich würde mich normal verhalten, und alles würde wieder normal sein“, „vernünftelt“ der 15-Jährige, und der 52-jährige Michael sieht keinen Grund, dem Leser anzudeuten, dass es anders sein könnte. Eine Distanz zur Sichtweise des „vernünftelnden“ 15-Jährigen ist allenfalls implizit in dem Wort „vernünfteln“ zu erkennen. Generell stellt sich die Frage, ob der Autor, Bernhard Schlink, gelegentlich absichtlich die Technik des unzuverlässigen Erzählens benutzt. So müsste ein aufmerksamer, durchschnittlich intelligenter Leser, der ohne Vorkenntnisse über den Roman die Lektüre begonnen hat, aufgrund der Vielzahl der Texthinweise, die der Erzähler ihm liefert, bereits am Ende des ersten Teils zu dem Schluss gekommen sein, dass Hanna Probleme mit dem Lesen haben muss. Warum Michael erst als Student zu diesem Schluss gelangt, erklärt der Erzähler nicht.
- Der zweite und der dritte Teil des Romans legen den Schluss nahe, hier spreche in den Kommentaren der Autor selbst, der den Erzähler als Sprachrohr benutze. In einigen Interpretationen wird der Roman als Schlüsselroman verstanden. Bernhard Schlink stellt allerdings ausdrücklich klar, dass die Liebesgeschichte des ersten Teils frei erfunden sei. Das würde bedeuten, dass auch die Empfindungen und Gedanken, die der Erzähler im ersten Teil beschreibt, ausschließlich in der Phantasie eines Erwachsenen existieren und Erinnerungen an Erlebnisse eines realen Jugendlichen nur fingieren.
- Der 52-Jährige erklärt seine akademische Karriere damit, dass er die Standardtätigkeiten eines Juristen mit Distanz betrachte; er verabscheue die Art, wie Richter, Anwälte oder Staatsanwälte Urteile bildeten. Gleichwohl bildet er sich „nach Aktenlage“ ein Urteil über die inhaftierte Hanna, die er nicht besucht, und zwar indem er Literatur über den Analphabetismus liest. Er kommt zu der Ansicht, sie sei ein „unmündiger“ Mensch. Dieses Urteil revidiert der 52-Jährige später nicht, auch nicht nachdem der Leser erfahren hat, dass Hanna gelernt habe, sich Autoritäten zu widersetzen, und sogar an einem Sitzstreik mitgemacht habe.
- Die Aussagen diverser Frauen lässt der Erzähler kommentarlos im Raum stehen, obwohl sie seinen Reflexionen zum Teil erheblich widersprechen. So zitiert er z. B. die Aussage der jüngeren amerikanischen Jüdin im Prozess gegen Hanna, sie habe angenommen, Hanna unterhalte zu den Vorleserinnen lesbische Beziehungen („und wir dachten, daß sie mit ihnen...“ – gleiche Andeutungstechnik wie im Gespräch mit Michael in New York –) sowie das anschließende Dementi („Aber so war es gar nicht“). Später traut er sich aber nicht recht, denselben Verdacht explizit auszusprechen: Indem er sich fragt: „Und wer war ich für sie gewesen? Der kleine Vorleser, den sie benutzt hatte, der kleine Beischläfer, mit dem sie ihren Spaß gehabt hatte? Hätte sie mich auch ins Gas geschickt, wenn sie mich nicht hätte verlassen können, aber loswerden wollen?“, zeigt er, dass er eine Parallele zwischen sich und den Vorleserinnen sieht, und zwar in dem Dreierschritt „Vorlesen lassen – sexuellen Spaß haben – in den Tod schicken“.
Rezeption
Der Vorleser ist in den Lehrplänen der Sekundarstufe I sowie der Sekundarstufe II verschiedener Bundesländer (z. B. Niedersachsen, Sachsen, Thüringen, Rheinland-Pfalz, Berlin, Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen) verankert. Der „Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz“ macht darauf aufmerksam, dass bei der Behandlung des Romans im Unterricht unbedingt die Tatsache angesprochen werden müsse, dass das Verhalten des Paares im ersten Teil nach Schweizer Recht ungesetzlich sei.[5]
In der wissenschaftlichen Kritik steht insbesondere die im Roman aufgeworfene komplexe Schuldproblematik im Fokus der Analyse. Mit Bezug auf den Essay Die Gegenwart der Vergangenheit, in dem Schlink das Fortdauern der nationalsozialistischen Epoche und ihren immensen Einfluss auf das Bewusstsein seiner Generation behauptet,[6] begreift die Literaturwissenschaftlerin Michaela Kopp-Marx den Vorleser als literarische Auseinandersetzung mit der umstrittenen Kollektivschuld-These: „Der Roman veranschaulicht das Phänomen der Vergangenheitsschuld, indem er es aus seiner abstrakt historischen Dimension löst und ins persönliche Erleben eines fiktiven Nachgeborenen transferiert, der sich in eine SS-Frau verliebt. Liebe und Verrat auf der individuellen Ebene der Beziehung verschränken sich untrennbar mit Verbrechen und Schuld auf der kollektiven Ebene deutscher Geschichte – dieses gleichsam kumulative Verfahren der Konfliktpotenzierung birgt nicht nur ästhetische Risiken, es wirft auch mehr Fragen auf, als der Roman zu beantworten in der Lage ist.“[7]
In den letzten Jahren ist die Problematik des sexuellen Missbrauchs stärker in den Vordergrund von Interpretationen des Romans gerückt. So schreibt die Psychologin Sabine Lellek: „Jugendliche beiderlei Geschlechts verlieben sich auch in Erwachsene und stimmen einem sexuellen Kontakt aus diesem Gefühl heraus zu. Dennoch sind sie von der Sexualität eines Erwachsenen oft überfordert und werden von Gefühlen, die nicht ihrer sexuellen Reife entsprechen, überflutet mit negativen Folgen für ihre weitere Entwicklung. Auch dies kann eine Form von Missbrauch sein. Eindrücklich wird dies von Bernhard Schlink in dem Roman Der Vorleser beschrieben.“[8] Konstanze Hanitzsch bezweifelt, dass Michael dem Leser als Opfer erscheinen solle: Die überlebende jüngere Jüdin nehme „Michael mit ‚ins Boot der Opfer’, obwohl doch gerade der Sex mit Hanna zur positiven Basis des Textes gehört: ohne ihn und die Liebe und Leidenschaft[, sic!] wäre die Abarbeitung Michaels an Hanna nicht zu verstehen, leidet er doch gerade daran, die damalige Hanna und die SS-Aufseherin Hanna nicht miteinander in Einklang bringen zu können.“[9]
Kritiken
Ein Großteil der literarischen Kritik äußerte sich lobend zum Vorleser. Hervorgehoben wurden vor allem Schlinks präziser Stil, direkte Erzählweise und die außergewöhnliche Art und Weise der Vergangenheitsbewältigung.
Rainer Moritz (Die Welt, 15. Oktober 1999) betonte, der Roman führe „den künstlichen Gegensatz zwischen Privatheit und Politik ad absurdum“. Werner Fuld (Focus, 30. September 1995) bemerkte, man müsse „große Themen nicht breit auswalzen, wenn man wirklich erzählen kann“.
Von anderer Seite wurde Schlink für seine Methode der Beschreibung der NS-Verbrechen stark kritisiert und in Zusammenhang mit Geschichtsrevisionismus und Geschichtsfälschung gestellt. Jeremy Adler hob in der Süddeutschen hervor, Schlink betreibe „Kulturpornographie“, indem in seinem Buch die „entscheidenden Motive von Schuld und Verantwortung sowie die Frage nach dem Verhältnis von persönlicher und staatlicher Macht“ an Bedeutung verlören. Schlink „vereinfache“ die Geschichte und zwinge zu einer Identifikation mit eigentlich schuldigen Tätern der NS-Zeit.
In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung[10] verwahrt sich Bernhard Schlink gegen die folgenden „Fehldeutungen“: Er meine nicht, dass
- Hanna Schmitz unschuldig sei, weil sie Analphabetin sei;
- man auch moralisch sei, wenn man nur gebildet sei;
- Hanna Schmitz ihre Schuld begriffen habe und geläutert sei, indem sie zu lesen gelernt habe;
- der Roman ein Schlüsselroman über sexuellen Missbrauch sei; diese Auffassung verkürze „die Wirklichkeit der Liebe schmählich“.[11]
Auf die letztgenannte These entgegnete 2009 Jan Schulz-Ojala: „Nein, das Zusammentreffen zwischen einer, die sich vor der Welt verschlossen hat, und einem, den sie benutzt und zur Belohnung an ihren Körper heranlässt, kann keine Liebesgeschichte sein.“[12]